Patrick Heitkemper ist Fachzahnarzt für Öffentliches Gesundheitswesen und seit 2000 beim Gesundheitsamt für Kinder- und Jugendzahngesundheitsdienst der Stadt Köln beschäftigt. Hier beantwortet er wichtige Fragen zum Thema Zahnpflege bei kleinen Kindern.
Tipps vom Schul-Zahnarzt
Die beste Methode Kinder an regelmäßiges Zähneputzen heranzuführen ist ein gemeinsames Zähneputzen von Eltern und Kindern!

► Zähneputzen ist ohne Zweifel wichtig für gesunde Zähne. Wie oft und wie lange sollten Kinder putzen?
Ab dem ersten Milchzahn (mit ungefähr sechs bis acht Monaten) sollten die Eltern morgens und abends die Zähne des Kindes putzen. In den ersten zwei Lebensjahren sollten sie einmal täglich einen dünnen Film Kinderzahnpasta auf die Zahnbürste geben; ab dem Alter von zwei Jahren zweimal täglich eine höchstens erbsengroße Menge Kinderzahnpasta.
Mit dem zweiten Lebensjahr wird das Kind an eine selbstständige Zahnpflege herangeführt. Die Eltern kontrollieren den Erfolg jedoch bis zum Ende der zweiten Klasse und putzen gegebenenfalls nach.
Ab dem sechsten Lebensjahr (dem ersten bleibenden Zahn, meist im ersten Schuljahr) werden die Zähne mindestens zweimal täglich mit fluoridhaltiger Junior- oder Erwachsenenzahnpasta geputzt. Auf jeden Fall sollte nach dem Frühstück und vor dem Schlafengehen mindestens zwei Minuten geputzt werden. Ich empfehle auch nach dem Mittagessen die Zähne gründlich zu putzen.
► Gerade kleine Kinder entwickeln noch ihre motorischen Fähigkeiten. Wie geht richtiges Zähneputzen?
Ich empfehle die Putztechnik nach KAI. Hierbei werden zuerst die Kauflächen geputzt. Auf den Kauflächen putzt die Bürste in horizontaler Richtung hin und her. Danach werden die Außenflächen der Zähne geputzt, hier werden die Zähne mit kreisenden Bewegungen gesäubert. Zum Schluss werden die Innenflächen von rot nach weiß, also vom Zahnfleisch zu den Zähnen, mit auswischenden Bewegungen geputzt. Diese Bewegungsabläufe beherrschen Kinder in der Regel selbständig, sobald sie schreiben können.
► Die meisten Kinder sind nicht gerade begeistert vom Zähneputzen. Vor allem dann, wenn es regelmäßig passieren soll. Haben Sie Tipps für Eltern, wie sie ihren Kindern das tägliche Ritual schmackhaft machen können?
Meiner Erfahrung nach ist die beste Methode Kinder an regelmäßiges Zähneputzen heranzuführen ein gemeinsames Zähneputzen von Eltern und Kindern. Das wichtigste Lernprinzip für Kinder ist das Beobachtungslernen: Kinder übernehmen das beobachtete Verhalten, weil sie auch so sein wollen wie Mama und Papa.
► Was halten Sie von elektrischen Zahnbürsten und welche Zahnpasta sollte man verwenden?
Das Putzergebnis bei der Benutzung von elektrischen Zahnbürsten kann in der Regel als gut bewertet werden. Ein Vorteil liegt darin, dass mit elektrischen Zahnbürsten länger geputzt wird, da es weniger anstrengend ist als mit der Handzahnbürste. Der richtige Umgang mit einer Handzahnbürste sollte auf jeden Fall auch erlernt werden.
Ich empfehle den Gebrauch von elektrischen Zahnbürsten ab dem vierten Lebensjahr morgens und abends, mittags (auch in der Schule oder in der Kita) kann eine Handzahnbürste benutzt werden.
Vom ersten Zahn bis zur Mitte des zweiten Lebensjahres sollte in der Regel eine fluoridhaltige Kinderzahnpasta (Fluoridgehalt bis 500ppm entspricht 0,05%) oder eine fluoridfreie Zahnpaste (bei gleichzeitiger Anwendung von Fluoridtabletten), ab Mitte des zweiten Lebensjahres eine fluoridhaltige Kinderzahnpasta und ab dem sechsten Lebensjahr sollte eine Junior- oder Erwachsenenzahnpasta (Fluoridgehalt ca. 1500ppm entspricht 0,15%) benutzt werden.
► Was sollte man bei der Ernährung beachten, um Karies zu vermeiden?
Viel knackiges Obst und Gemüse, Vollkornbrot, ausreichend Milchprodukte, genug Trinken und Zurückhaltung beim Zuckerkonsum sind die wichtigsten Elemente zahngesunder Ernährung. Achten Sie darauf, dass Ihr Kind nicht zu viel Chips oder Süßes knabbert und nur wenig säurehaltige Getränke wie Cola, Fruchtsaft- oder Sportlergetränke trinkt, denn das schadet den Zähnen genauso wie Süßes im Übermaß. Nach süßen Speisen und säurehaltigen Getränken sollte mit Wasser umgespült und die Zähne geputzt werden.
► Um das sechste Lebensjahr taucht bei jedem Kind der erste Wackelzahn auf. Das ist für Kinder oft ein einschneidendes Erlebnis. Wie können sich Eltern verhalten, damit dieses Ereignis in positiver Erinnerung bleibt?
Zur Vorbereitung auf dieses Ereignis gibt es viele gute Kinderbücher zum Vorlesen. Der erste ausgefallene Zahn kann in einer kleinen Zahnbox aufbewahrt werden, in der auch die weiteren ausgefallenen Zähne gesammelt werden.
► Kann beim Zahnwechsel auch etwas schief gehen?
In der Regel verläuft der Zahnwechsel problemlos. Es kommt jedoch vor, dass der bleibende Zahn durchbricht und der Milchzahn noch nicht ausgefallen ist. Hier kann eine Entfernung des Milchzahnes nötig sein, um eine Zahnfehlstellung zu vermeiden. Wichtig ist, dass ein zu früher Verlust von Milchzähnen durch Karies zu einem Platzmangel für den bleibenden Zahn führen kann. Hier ist zur Kontrolle ein regelmäßiger frühzeitiger Zahnarztbesuch wichtig.
► Zahnärzte empfehlen regelmäßige Zahnarztbesuche schon im ersten Lebensjahr. Wie oft sollte ein Kindergartenkind zum Zahnarzt gehen und was ist dabei zu beachten?
Wichtig ist, dass Ihr Kind eine positive, angstfreie Einstellung zum Zahnarztbesuch bekommt. Eigenes Unbehagen sollten Sie für sich behalten. Empfehlenswert ist ein Zahnarztbesuch vormittags mit einem ausgeruhten Kind ohne weitere Termine. Meistens sind Kontrolle und Vorsorgeuntersuchung zweimal pro Jahr ausreichend. Bei erhöhtem Kariesrisiko sollte in Abstimmung mit dem Zahnarzt häufiger kontrolliert werden.
► Welche Fakten und Geschichten kann man kleinen Kindern erzählen, damit sie Spaß an ihren Zähnen und deren Pflege haben?
Gute Bilderbücher zum Thema vermitteln Ihrem Kind einen ersten Eindruck. Rollenspiele erweisen sich ebenfalls als hilfreich. Wenn Eltern sich zum Beispiel auf einen fiktiven Zahnarztstuhl setzten und sich von ihrem Kind untersuchen lassen, wird es sicherlich großen Spaß daran haben. Beim Zahnwechsel können Eltern von ihren eigenen Erfahrungen erzählen, sofern sie sich noch daran erinnern: Wo haben sie ihre Milchzähne aufbewahrt? Wie war das, als der erste Zahn zu wackeln anfing?
► Sie veranstalten regelmäßig Kurse in Kindergärten und Schulen und beraten das pädagogische Fachpersonal zum Thema Zahngesundheit. Was sind die größten Irrtümer, auf die Sie immer wieder stoßen?
Der häufigste Grund für frühkindliche Karies sind nicht Speisen sondern Getränke. Ständiges Trinken aus Nuckelflaschen oder Flaschen mit Trinkhilfen von zuckerhaltigen Getränken wie gesüßten Tees, Eistees, Fruchtsäften, Milchnahrung und ähnlichem führt zu einem besonders aggressiven Zahnbelag, der die Zähne im schlimmsten Fall vollständig zerstören kann. Zahnärzte sprechen hier von der Nuckelflaschenkaries oder vom "Nursing-Bottle-Syndrom".
Eine Besonderheit stellen schwarze Beläge bei Kindern im Bereich des Zahnfleischsaumes als Punkte oder schmale Linien dar. Dabei handelt es sich in der Regel nicht um Karies (etwa jedes 20. Kind ist betroffen), sondern um durch unschädliche Bakterien hervorgerufene Ablagerungen. Dieser schwarze Belag kann durch übliche Mundhygiene nicht entfernt werden, wohl aber durch eine professionelle Zahnreinigung. Nach der Entfernung kommt es innerhalb von Wochen zum erneuten Auftreten. Diese Beläge verschwinden in der Regel zum Ende der Pubertät.